Phasen der Trauer oder Niedergeschlagenheit sind jedem bekannt. Wann aus diesen Phasen jedoch eine Depression wird, ist nicht immer leicht zu erkennen. Dauern gewisse Anzeichen länger an, könnte dies für eine depressive Erkrankung sprechen. Im medizinischen Sinne ist eine Depression keine vorübergehende Phase der Niedergeschlagenheit oder der Unlust, sie ist eine ernste Erkrankung. Das Denken, Handeln und Fühlen der betroffenen Personen wird tiefgehend beeinflusst und verursacht dabei erhebliches Leid. Nur selten können sich Betroffene selbst aus der gedrückten Stimmung und den negativen Gedanken befreien und benötigen dabei Hilfe. Zur Behandlung ist eine Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie vorgesehen.1 Erfahren Sie hier, wie das Krankheitsbild einer Depression aussieht und was Depressionen sind.
Die Depression zählt zu den häufigsten, aber auch meistunterschätzten Erkrankungen bezogen auf ihre Bedeutung für den Einzelnen und die Gesellschaft. Sie kann in unterschiedlich schwerer Ausprägung auftreten. Die Erkrankung kommt in allen Kulturen annähernd gleich häufig vor und kann Menschen jeder sozialen Schicht treffen. Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Depression (alle Formen) zu erkranken, die sogenannte Lebenszeitprävalenz, liegt national wie international bei 16-20 %.2
Wie viele Menschen haben laut Statistik Depressionen? Laut einer repräsentativen bundesweiten Studie zur Gesundheit Erwachsener (DEGS1-MH) leiden ca. 8,2 % der Bevölkerung im Alter von 18 bis 79 Jahren in Deutschland unter einer depressiven Symptomatik. Das entspricht ca. 5,3 Millionen Betroffenen, die innerhalb von 12 Monaten an einer Depression erkrankt sind.2 Weltweit stieg die Häufigkeit von Depressionen allein im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie um ca. ein Viertel3 und liegt jetzt bei fast 280 Millionen betroffenen Menschen.4 Bei Frauen gehören Depressionen zu den häufigsten psychischen Gesundheitsproblemen. Während Depressionen bei ihnen einen Anteil von 41,9 % unter allen neuropsychiatrischen Störungen einnehmen, kommen bei Männern Depressionen als Ursache für psychische Erkrankungen mit 29,3 % vergleichsweise seltener vor.5
Depressionen sind im sozialen wie auch im beruflichen Kontext nach wie vor mit einem Stigma behaftet. Beispielsweise erhielten männliche Bewerber auf eine Stelle seltener eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, wenn sie in im Bewerbungsschreiben eine frühere Depression erwähnten.6
„Oftmals kämpfen Betroffene mit Vorurteilen gegen ihre Erkrankung, denn vielfach wird ihnen von ihrer Umwelt fälschlicherweise „Unausgeglichenheit“, „mangelnde Selbstdisziplin“, „Selbstmitleid“ oder sogar „Faulheit“ vorgeworfen.“
Dabei hat die Reaktion des sozialen Umfelds starken Einfluss auf die Situation erkrankter Menschen. Abwertung und Distanzierung fördern den sozialen Rückzug, verstärken negative Gefühle und können dazu führen, dass Betroffene sich erst spät ärztlich behandeln lassen.7
Familiäre und freundschaftliche Beziehungen werden durch Depressionen oft belastet: Enge Angehörige machen sich große Sorgen um Betroffene. Wenn sie sich frustriert, erschöpft oder überfordert fühlen, kommen meist Ärger und Wut hinzu, was die Betroffenen zusätzlich belastet.8
Familiäre und freundschaftliche Beziehungen werden durch Depressionen oft belastet: Enge Angehörige machen sich große Sorgen um Betroffene. Wenn sie sich frustriert, erschöpft oder überfordert fühlen, kommen meist Ärger und Wut hinzu, was die Betroffenen zusätzlich belastet.
Folgende Verhaltensregeln für den Umgang mit depressiven Menschen können allen Beteiligten in dieser Situation helfen:8
Zudem gibt es Selbsthilfegruppen und weitere Angebote für Angehörige von Betroffenen.
Schwere Depressionen können verheerende Folgen haben: für Betroffene, ihre Angehörigen und unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten.1 Depressionen gehören zu den wichtigsten Volkskrankheiten, deren Stellenwert in Zukunft weiter steigen wird.2
Eine höhere Bildung und eine sichere berufliche Situation gehen mit einer geringeren Häufigkeit von Depressionen einher. Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status weisen ein höheres Risiko für depressive Erkrankungen auf.2
Die Hauptsymptome einer depressiven Episode sind nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10 bzw. ICD-11 (engl.: International Statistical Classification of Diseases, Injuries and Causes of Death, kurz: ICD):1
eine gedrückte, traurige Stimmung
Freud- und Interessenlosigkeit
Antriebsschwäche mit erhöhter Müdigkeit (oftmals bereits nach kleinen Anstrengungen) und Einschränkung der Aktivität
Begleitend können folgende Anzeichen für eine Depression nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10/ICD-11 auftreten:1
Das Erkennen einer Depression wird häufig dadurch erschwert, dass Patient:innen selten über typische Symptome einer Depression berichten.2 Zusätzlich sind es oftmals die körperlichen Symptome, die als erstes entdeckt, jedoch nicht zwangsläufig mit einer depressiven Erkrankung in Verbindung gebracht werden. Aufgrund der Ausprägung dieser kann die Diagnose einer Depression zusätzlich erschwert sein.9
Depressive Erkrankungen machen sich nicht nur psychologisch bemerkbar, sondern beinhalten auch biologische Prozesse, wodurch auch körperliche Symptome auftreten. Mögliche körperliche Symptome einer Depression können unter anderem Schmerzen, Druckgefühle auf der Brust oder Atembeschwerden sein.2,10 Zusätzlich sprechen andauernde Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen (gefolgt von Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme) oder chronische Schmerzen, die auf keine Behandlung ansprechen, für eine Depression.2,10
Die Depression ist kein vorübergehender oder normaler Geisteszustand, die psychische Krankheit geht weit über Kummer oder alltägliches Leiden hinaus. Die Symptome können über Monate oder Jahre andauern, ohne dass die Krankheit erkannt oder behandelt wird.9
Die häufigsten psychischen Symptome einer Depression sind:
Außerdem sind Gedanken an den Tod, Selbstmord, Selbstmordversuche oder selbstverletzendes Verhalten markante Anzeichen für eine Depression.9
Diagnosen werden aufgrund von internationalen Übereinkünften über die Haupt- und Begleitsymptome gestellt. Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, die ICD, ist das wichtigste, weltweit anerkannte Diagnoseklassifikations- und Verschlüsselungssystem.
Die ICD-10 ist die 10. Überarbeitung der ICD. Die ICD-11 wurde 2018 von der WHO verabschiedet, aus der gegenüber der ICD-10 verschiedene Änderungen für die Diagnostik depressiver Störungen resultieren.2 So müssen gemäß ICD-11 für die Diagnose einer depressiven Episode mindestens 5 Symptome vorliegen, davon mindestens eines aus dem affektiven Cluster. In der ICD-10 sind nur 4 Symptome erforderlich. Die Einstufung der Episodenschwere (leicht, mittelgradig, schwer) erfolgt in der ICD-11 – anders als in der ICD-10 – nicht anhand der Summe der Symptome, sondern berücksichtigt neben der Anzahl auch deren Intensität sowie den Grad der Funktionseinschränkung.2
Depressionen können in unterschiedlichen Schweregraden auftreten. Diese werden nach ICD10 folgendermaßen diagnostiziert:2
Leicht:
zwei Hauptsymptome halten mindestens zwei Wochen an, zusätzlich treten zwei Zusatzsymptome auf.
Mittelgradig:
zwei Hauptsymptome bestehen mindestens zwei Wochen, zusätzlich werden drei bis vier Zusatzsymptome diagnostiziert.
Schwer:
alle drei Hautsymptome treten mindestens zwei Wochen lang auf, außerdem leiden die Betroffenen unter mindestens vier Zusatzsymptomen.
In der ICD-10 wird bei leichter bis mittelgradiger Depression zusätzlich berücksichtigt, ob weitere somatische Symptome vorliegen. Man spricht dann von einem somatischen Syndrom.2 Typische Merkmale dieses Syndroms sind unter anderem Verlust der Freude an normalerweise angenehm empfundenen Aktivitäten, mangelnde Fähigkeit, auf freudige Ereignisse emotional zu reagieren, Morgentief; auffallender Appetit- und Gewichtsverlust sowie deutlicher Libidoverlust.1
Treten bei einer schweren Depression zusätzlich noch Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder ein depressiver Stupor (psychische und motorische Erstarrung) auf, wird nach ICD-10 die Diagnose „schwere Depression mit psychotischen Symptomen“ gestellt. In der ICD-11 ist depressiver Stupor nicht mehr als Kriterium für psychotische Symptome aufgeführt.2
Nach dem Schweregrad einer Depression entscheidet sich, ob und welche Therapie angezeigt ist. Eine leichte Depression können Betroffene auch ohne Behandlung überstehen. Zunächst können zum Beispiel unterstützende Gespräche, eine allgemeine Beratung, Schulungen, Selbsthilfebücher oder Onlineprogramme zum Einsatz kommen, bevor der Arzt eine Behandlung mit Medikamenten oder Psychotherapie verordnet. Wenn sich nach spätestens zwei Wochen die Beschwerden nicht bessern oder sogar verschlechtern, sollte ein Arzt oder Psychotherapeut mit dem Betroffenen über eine Ausweitung der bisherigen Maßnahmen sprechen.2
Eine sofortige Therapie ist angezeigt, wenn die Beschwerden sehr belastend für die Betroffenen sind und länger andauern können. Das gilt auch für chronische Depressionen und besonders bei Gefahr von Selbstgefährdung oder -tötung. Betroffene erhalten eine medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung, oder eine Kombination aus beidem.8
Die schwere Depression ist die häufigste Form der Depression. Im amerikanischen Klassifikationssystem wird sie als „major depression“ bezeichnet. Man spricht von einer schweren Depression, wenn diese mindestens zwei Wochen andauert und das tägliche Leben der betroffenen Person beeinträchtigt. Sie äußert sich vor allem durch Symptome wie: Traurigkeit, Verlust von Freude, Antriebslosigkeit, Müdigkeit und das Gefühl von Hilflosigkeit. Eine schwere depressive Episode wird diagnostiziert, wenn alle drei Hauptsymptome und mindestens fünf zusätzliche Symptome vorhanden sind und diese für mindestens zwei Wochen bestehen.2
Bei schweren Formen einer Depression sollte nach der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) eine Kombinationsbehandlung aus Pharmakotherapie und geeigneter Psychotherapie erfolgen. Depressionen sind heilbar, jedoch erhöht jede depressive Episode das Risiko, erneut eine solche zu erleben. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Behandlung nicht nach dem ersten Abklingen der Hauptsymptome beendet wird, sondern um möglichst sechs bis zwölf Monate weitergeführt wird. Dadurch kann eine hohe Stabilität erreicht werden und die Heilungschancen verbessern sich.2
Bei der therapieresistenten Depression sprechen die Patient:innen auf die Therapie mit Psychopharmatherapeutika, auch nach ausreichender Dosierung und nach einem längeren Zeitraum, nicht an. Etwa 20 bis 30% aller Betroffenen erfüllen die Kriterien einer therapieresistenten Depression. Das bedeutet, dass sie auf zwei adäquate antidepressive Therapieversuche mit gleich oder unterschiedlich wirkenden Antidepressiva nicht ausreichend ansprechen. Mit einer therapieresistenten Depression werden oft auch weitere Faktoren in Verbindung gebracht. Dazu gehören der Schweregrad der depressiven Symptomatik, psychotische Symptome, Suizidalität oder eine komorbide generalisierte Angststörung.11
Depressionen zeichnen sich typischerweise durch einen episodischen Verlauf aus. Die Krankheitsphase ist zeitlich begrenzt und kann auch ohne therapeutische Maßnahmen abklingen. Ist die betroffene Person in der Folgezeit völlig symptomfrei, spricht man von einer vollständigen Remission. Bei einem sogenannten rezidivierenden Verlauf tritt hingegen eine erneute depressive Episode auf.2
Die meisten depressiven Episoden dauern, wenn sie entsprechend behandelt werden, einige Monate. In 15 bis 20 % der Fälle kann eine Episode jedoch auch 12 Monate oder länger dauern.12 Hält eine depressive Episode länger als zwei Jahre ohne Besserung in diesem Zeitraum an, spricht man von einer chronischen Depression.2
Wie Depressionen entstehen, ist bisher im Detail nicht geklärt. Es ist individuell unterschiedlich, welche Rolle genetische und umweltbedingte Faktoren spielen. Es wird davon ausgegangen, dass mehrere Faktoren zusammenwirken und sich daraus eine Depression entwickelt. Risikopersonen sind weniger tolerant gegenüber seelischen, körperlichen und biografischen Belastungen als andere Menschen. Diese besondere Sensibilität spielt beim Ausbruch einer Depression und ihrem Verlauf eine große Rolle.10
Mögliche Ursachen für eine Depression können sein:13
eine genetische Veranlagung (gehäuftes Auftreten von depressiven Erkrankungen innerhalb einer Familie)
neurobiologische Störungen im Gehirn, die den Stoffwechsel und Funktionen betreffen
Entwicklungs- und Persönlichkeitsfaktoren (psychosoziale Faktoren)
Patient:innen fragen sich häufig, ob Depressionen vererbbar sind. Und ja, die genetische Vorbelastung trägt nach dem heutigen Forschungsstand wesentlich zur Entstehung einer Depression bei. Sind Verwandte ersten Grades betroffen, liegt die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls an einer Depression zu erkranken, bei etwa 15 %.13
Eine weitere Ursache für eine depressive Verstimmung ist die neurobiologische Veränderung bestimmter Botenstoffe, den Neurotransmittern, im Gehirn. Diese Botenstoffe sind wichtig für die Übertragung von Nervenimpulsen und beeinflussen damit unter anderem unsere Stimmung und unser Verhalten. Prominente Vertreter der Neurotransmitter sind zum Beispiel Serotonin, Dopamin, Glutamat und y-Amino-Buttersäure (GABA). Depressive Patient:innen weisen im Vergleich zu Gesunden oft eine verminderte Aktivität dieser Substanzen auf, sodass die Weiterleitung von Nervenimpulsen gestört ist. Zusätzlich kann bei Betroffenen während einer depressiven Episode eine veränderte Aktivität des limbischen Systems im Gehirn auftreten. Das limbische System ist für eine stressregulierende Funktion sowie für das Empfinden und Verarbeiten von Gefühlen verantwortlich.13,14 Bislang wurde die Depression überwiegend als Folge eines Mangels an monoaminergen Neurotransmittern wie Serotonin oder Noradrenalin im synaptischen Spalt angesehen. Diese Annahme wird auch als Monoaminhypothese bezeichnet. Neuere Forschung untersucht jedoch auch andere bzw. weitere mögliche Ursachen für die Depression.15
Zu den psychosozialen Faktoren werden belastende Erlebnisse wie der frühe Verlust eines Elternteils, Missbrauch, Vernachlässigung, eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung oder Trennung gezählt. Weitere Risikofaktoren sind eine chronische Angststörung in der Kindheit und Jugend, begleitet von Unsicherheit und mangelndem Selbstvertrauen. Belastende Lebensumstände wie anhaltender Stress, Überforderung, wenig gesellschaftliche Kontakte oder Arbeitslosigkeit erhöhen ebenfalls das Risiko für Depressionen. Durch stressreiche Lebensereignisse wird vermehrt das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, das auch bei Depression in erhöhter Konzentration im Blut auftritt.13,16
In den letzten Jahren mehrten sich in wissenschaftlichen Untersuchungen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Neuroplastizität des Gehirns und der Entstehung einer Depression.
Der Begriff Neuroplastizität beschreibt die Fähigkeit des Gehirns, sich an veränderte äußere Anforderungen (z. B. Lernvorgänge, Stress) oder auch Schädigungen des Gehirns anzupassen. Dies gelingt zum Beispiel durch eine Neubildung und Wiedervernetzung von Synapsen. Es wird davon ausgegangen, dass eine beeinträchtigte Neuroplastizität und damit eine Rückbildung von synaptischen Verbindungen zu einer Depression führen kann. Auch gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte Wachstumsfaktoren im Gehirn (BDNF), die eine Neubildung von Synapsen fördern können, bei Patient:innen mit Depressionen reduziert sind.17
In zwei Drittel der Fälle depressiver Erkrankungen sind die Phasen abgegrenzt durch Episoden weitestgehender Gesundheit von unterschiedlicher Dauer. Bei einem Drittel der Betroffenen tritt lediglich eine geringfügige Besserung ein, maximal 15 % bleiben schon nach der ersten Episode chronisch depressiv. Die meisten depressiven Episoden bilden sich – bei entsprechender Behandlung – innerhalb weniger Monate zurück, 15 bis 20 % der Fälle weisen jedoch eine Dauer von mindestens 12 Monaten auf.12
Prognose bei depressiven Erkrankungen
Die Heilungschancen nach einer einzelnen depressiven Phase sind gut. Das Rückfallrisiko nach einer ersten Episode (bezogen auf die Lebenszeit) beträgt ohne Vorsorge etwa 50 %, bei schweren Depressionen 75 %. Ungünstig auf die Prognose wirken sich beispielsweise Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Essstörungen, begleitende Angst- und Zwangsstörungen sowie chronische Verläufe aus. Wichtigster Faktor für das Rückfall- oder Wiedererkrankungsrisiko ist die Anzahl früherer Episoden. Unter einem Rückfall oder einer Wiedererkrankung (auch Rezidiv) versteht man das Wiederkehren von Krankheitsanzeichen nach zeitweiliger Besserung der Depression.12
Betroffene einer Depression, die sich keiner Therapie unterziehen, können schnell in einen Teufelskreis geraten. Die Symptome einer depressiven Störung belasten Familie, Partnerschaft und Freundschaften. Zudem kann es zusätzlich zu Problemen am Arbeitsplatz kommen. Auch nach Abklingen der depressiven Symptome können diese sozialen Beeinträchtigungen bei vielen Patient:innen anhalten. (Spät-)folgen können Missbrauch von Alkohol, anderen Drogen oder Medikamenten sein.18
Im schlimmsten Falle kann es bei einer Depression zum Selbstmord kommen. 10 bis 15 % der Patient:innen mit wiederkehrenden schweren Depressionen sterben durch Suizid. Zum besonders gefährdeten Personenkreis gehören Patient:innen, die in belastenden psychosozialen Verhältnissen leben (etwa alleinstehend, geschieden oder drogenabhängig sind), außerdem Betroffene im fortgeschrittenen Alter (>65 Jahren) und solche, die bereits Suizidversuche unternommen haben.18
Depressionen lassen sich mit unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten therapieren, zum Beispiel durch Psychotherapien, Medikamente oder Entspannungstherapien. Dabei unterscheidet man zwischen einer Akuttherapie, einer Erhaltungstherapie und einer Rezidivprophylaxe. Die Akuttherapie dauert in der Regel sechs bis acht Wochen, mit dem Ziel, einen normalen Alltag führen zu können. Die Erhaltungstherapie dauert in der Regel vier bis neun Monate und soll Symptome fortlaufend eindämmen, bis sie abklingen. Bei Betroffenen mit wieder auftretenden depressiven Episoden ist eine Langzeitbehandlung möglich, die darauf zielt, Rückfälle zu vermeiden.
Bei besonders schweren und wiederkehrenden Depressionen2, wie der therapieresistenten Depression, kann die Behandlung mit Medikamenten sinnvoll sein. Die unterschiedlichen Medikamente und Wirkstoffgruppen werden als Antidepressiva bezeichnet.
Die Therapiemöglichkeiten bei schweren Depressionen sind außerordentlich vielseitig, die beiden meist genutzten Bausteine sind die:1
1. Psychotherapie
2. Pharmakotherapie
Neben der Pharmakotherapie spielt die Psychotherapie eine wichtige Rolle in der Behandlung von Depressionen. Zu den grundlegenden Aspekten der psychotherapeutischen Behandlung gehört der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen allen Beteiligten, die Klärung der Therapieerwartung sowie die Einbeziehung wichtiger Vertrauenspersonen. Gemeinsam wird eine Strategie erarbeitet, wie die Krise bewältigt und Selbstvertrauen (wieder) aufgebaut werden kann. Zudem wird Betroffenen verdeutlicht, dass sie keine Schuld an ihrer Depression tragen. Auch Suizidgedanken werden thematisiert.19
Zur Behandlung depressiver Erkrankungen ist die Psychotherapie mittlerweile im ambulanten, teilstationären und stationären Bereich etabliert. Studien belegen die psychotherapeutische Behandlung depressiver Störungen als wirksam.2
Zu den wichtigsten Verfahren in der ambulanten Psychotherapie gehören:11,19
Die Kognitive Verhaltenstherapie nutzt verschiedene Techniken, die bei ausgewählten psychischen Störungen zum Einsatz kommen. Ausgangspunkt der Kognitiven Therapie ist die Annahme, dass beispielsweise psychische Störungen mit negativen und selbstabwertenden Wahrnehmungs- und Denkmustern zusammenhängen. Die Patient:innen lernen, Probleme und individuelle Blockaden zu erkennen, Alternativen zu entwickeln und auszuprobieren sowie Denk- und Verhaltensmuster neu zu bewerten.19
Die tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie geht davon aus, dass die Depression auf einem unbewussten seelischen Konflikt beruht. Das wiederholte Erinnern und Durchleben früherer negativer Erfahrungen, die zu diesem Konflikt geführt haben, soll die Symptome abschwächen beziehungsweise verschwinden lassen.19,20
Die Systemische Therapie, auch Familientherapie genannt, zielt auf die eigenständige Ursachenfindung für die Probleme in einer familiären Beziehung. Daher nehmen an einer systemischen Sitzung alle betroffenen Familienmitglieder nach Bedarf teil, um neue Verhaltens- und Interaktionsmuster im Umgang miteinander zu erlernen.20,21
Im Mittelpunkt der Gesprächspsychotherapie steht das eigene Selbstbild, das bei depressiven Patienten negativ oder verzerrt ist. Es entsteht, wenn Menschen Zuwendung nur unter bestimmten Voraussetzungen erfahren. In dieser Therapieform lernen Betroffene, sich der eigenen Gedanken und Gefühle bewusst zu werden, sie auszusprechen und Bedürfnisse wieder wahrzunehmen.19
Die Interpersonelle Psychotherapie setzt an kritischen Lebenssituationen an, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Depression stehen, z. B. Trauer, Lebensveränderungen, Einsamkeit und soziale Defizite. Im Fokus stehen die Klärung und Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen, z. B. in Form von Trauerbewältigung und Unterstützung beim Aufbau von sozialen Kontakten.19
Neben den genannten Verfahren gibt es zahlreiche weitere:2,22
Außer der Art und Schwere der Depression bestimmen krankheitsbedingte Beeinträchtigungen, persönliche Vorlieben und Kompetenzen, die zur Bewältigung der Erkrankung nötig sind, das Therapieverfahren. Die Auswahl der Behandlungsverfahren wird für jede Person individuell getroffen.2
Eine wichtige Säule in der Akutbehandlung einer depressiven Störung sind die Psychopharmaka und insbesondere Antidepressiva. Unter Antidepressiva versteht man Arzneimittel, die bestimmte chemische Botenstoffe (Neurotransmitter) und damit Stoffwechelsewege im Gehirn beeinflussen und so die psychische Verfassung verändern. Dieser Vorgang wird psychoaktiver oder psychotroper Effekt genannt. Neurotransmitter werden von Nervenzellen in den synaptischen Spalt sezerniert und von Rezeptoren nahe liegender Zellmembranen aufgenommen und somit weitergegeben. Überschüssige Neurotransmitter werden aus dem synaptischen Spalt wieder zurück in die sezernierende Nervenzelle transportiert. Hemmt ein Medikament z.B. diese Wiederaufnahme des Botenstoffs, ist seine Wirkung dadurch stärker oder langanhaltender.23,24
Die Pharmakotherapie ist generell am erfolgversprechendsten, wenn sie auf einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Patient:in und Arzt beruht. Diese Vertrauensbasis ist auch für die Mitarbeit des Betroffenen sehr wichtig und sollte von Beginn an in ein entsprechendes Gesprächsangebot eingebettet sein. Ziel ist es, den persönlichen Nutzen des einzelnen Patienten und die Nebenwirkungen eines Wirkstoffs einander gegenüberzustellen und dann individuell über die Therapie zu entschieden. Eventuelle Neben- und Wechselwirkungen der Medikamente lassen sich dadurch besser kontrollieren oder möglicherweise vermeiden.2
Antidepressiva werden je nach ihrer Strukturformel und ihrem spezifischen Wirkmechanismus in folgende sieben Klassen unterteilt:14,25,27
Weiter lassen sich Antidepressiva hinsichtlich ihrer Wirkung in überwiegend dämpfende und aktivierende beziehungsweise antriebssteigernde Wirkstoffe einteilen.25 Bei dämpfenden Antidepressiva ist eine beruhigende und angstlösende Wirkung erwünscht.27 Zu den antriebssteigernden Substanzen werden die sogenannten Psychostimulanzien gezählt, die kurzfristig auch die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit erhöhen.28 Einige Antidepressiva verringern zudem die typischen körperlichen Symptome (wie Kopf- und Rückenschmerzen, Schlafstörungen und Magen-Darm-Beschwerden), die eine Depression zur Folge haben kann.25
Neben diesen in Klassen eingeteilten Wirkstoffen finden nicht klassifizierte Antidepressiva, Lithiumsalze und Phytopharmaka Anwendung, die auf pflanzlichen Wirkstoffen wie Johanniskraut basieren.2
Bei leichten Depressionen sind Antidepressiva weniger gut wirksam als bei schweren Verlaufsformen, weshalb eine Psychotherapie vorzuziehen ist.29
Jeder Fünfte ist im Laufe seines Lebens, zumindest zeitweise, von Depressionen betroffen. In Deutschland ist diese Erkrankung damit eine Volkskrankheit.
Doch obwohl so viele Menschen von Depressionen betroffen sind, wird nur knapp die Hälfte angemessen behandelt. Grund dafür ist unter anderem die Art und Weise, wie die Gesellschaft mit dem Thema umgeht. Oft heißt es: „Wird schon wieder. Einfach mehr Lachen. Stell dich nicht so an, jeder hat mal eine schlechte Phase”. Wer das hört, möchte nicht als wehleidig, schwach oder launisch abgestempelt werden – und schweigt lieber, anstatt frühzeitig eine geeignete Behandlung zu erhalten. Depression ist deshalb noch immer Tabuthema. Im schlimmsten Fall hat das tödliche Folgen. Es ist also höchste Zeit, offen über Depression zu sprechen, um Menschen aufzuklären und das Thema zu enttabuisieren.
Mit der Initiative #GemeinsamGegenDepression möchte Janssen Betroffenen und Angehörigen die Möglichkeit geben, ihre persönlichen Geschichten zu teilen, das Schweigen zu brechen und Gesicht gegen Depression zu zeigen. Denn je mehr Menschen über die Erkrankung sprechen und andere ermutigen, desto normaler wird der Umgang mit einer Depression. Es ist eine Initiative für Betroffene und Angehörige – mit Betroffenen und Angehörigen. Sie alle teilen persönliche Erfahrungen, um Erkrankten und ihrem Umfeld den entscheidenden Schritt zu erleichtern: Rechtzeitig die nötige Hilfe zu suchen, um therapeutische und medizinische Unterstützung zu finden.
Ankerpunkt für alle Interessierten ist die Webseite #GemeinsamGegenDepression. Sie umfasst wichtige Informationen rund um die Erkrankung sowie stetig wachsende Hilfsangebote.
Zuletzt geändert am: 24.11.2021
Dieser Text entspricht den redaktionellen Standards der Janssen Medical Cloud. Hier erfahren Sie mehr über unsere redaktionellen Standards.
Dieser Text wurde von Prof. Dr. Bettina Diekamp, Mitarbeiterin bei Janssen Deutschland und Mitglied des Janssen Expertenbeirats, geprüft. Lernen Sie unseren Expertenbeirat kennen.