Die unipolare Depression ist die häufigste Form, bei der mindestens über zwei Wochen Anzeichen von Niedergeschlagenheit, Erschöpfung sowie Freud- und Antriebslosigkeit auftreten. Beschwerden wie Appetitlosigkeit und Schlafstörungen können hinzukommen.5
Eine bipolare Depression ist auch unter der Bezeichnung manisch-depressive Erkrankung bekannt. Menschen mit dieser Störung durchleben wechselnde Phasen extremer Stimmungsschwankungen: In der einen Phase zeigen sich die typischen Symptome einer Depression. In der anderen Phase schlägt die Stimmung ins Gegenteil um. Die Betroffenen sind dann plötzlich in Hochstimmung, sehr reizbar, extrem aktiv und selbstbewusst. Sie leiden unter Schlaf- und Konzentrationsstörungen. In diesen euphorischen Phasen verlieren viele Patienten den Bezug zur Wirklichkeit und können halluzinieren.5 Bei etwa einem Fünftel der Patienten, die an depressiven Episoden erkranken, treten bipolaren Störungen auf.1
Depressionen zeichnen sich typischerweise durch einen episodischen Verlauf aus. Die Krankheitsphase ist zeitlich begrenzt und kann auch ohne therapeutische Maßnahmen abklingen. Ist der Patient in der Folgezeit völlig symptomfrei, spricht man von einer vollständigen Remission. Bei einem sogenannten rezidivierenden Verlauf tritt eine erneute depressive Episode auf.1 Die meisten depressiven Episoden bilden sich, wenn sie entsprechend behandelt werden, innerhalb weniger Monate zurück. In 15 bis 20 % der Fälle kann dies jedoch auch 12 Monate oder mehr dauern.6 Hält eine depressive Episode länger als zwei Jahre ohne Besserung in diesem Zeitraum an, spricht man von einer chronischen Depression.1
Die Heilungschancen nach einer einzelnen depressiven Phase sind gut. Das Rückfallrisiko nach einer ersten Episode (bezogen auf die Lebenszeit) beträgt ohne Vorsorge etwa 50 %, bei schweren Depressionen 75 %. Ungünstig auf die Prognose wirken sich beispielsweise Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Essstörungen, begleitende Angst- und Zwangsstörungen sowie chronische Verläufe aus. Wichtigster Faktor für das Rückfall- oder Wiedererkrankungsrisiko ist die Anzahl früherer Episoden. Unter einem Rückfall oder einer Wiedererkrankung (auch Rezidiv) versteht man das Wiederkehren von Krankheitsanzeichen nach zeitweiliger Besserung der Depression.6
Betroffene mit einer Depression, die sich keiner Therapie unterziehen, können schnell in einen Teufelskreis geraten. Die Symptome einer depressiven Störung belasten Familie, Partnerschaft und Freundschaften. Zudem kann es zusätzlich zu Problemen am Arbeitsplatz kommen. Auch nach Abklingen der depressiven Symptome können diese sozialen Beeinträchtigungen bei vielen Patienten anhalten. Infolgedessen kann es zu Missbrauch von Alkohol, anderen Drogen oder Medikamenten kommen.7
Im schlimmsten Falle kann es bei einer Depression zu einer Selbsttötung kommen. 10 bis 15 % der Patienten mit wiederkehrenden schweren depressiven Phasen sterben durch Suizid. Zu dem besonders gefährdeten Personenkreis gehören Patienten, die in belastenden psychosozialen Verhältnissen leben (etwa alleinstehend, geschieden oder drogenabhängig sind), außerdem Betroffene im fortgeschrittenen Alter (>65 Jahren) und solche, die bereits Suizidversuche unternommen haben.7
Die Hauptsymptome einer depressiven Verstimmung sind nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10:1
eine gedrückte, traurige Stimmung
Freud- und Interessenlosigkeit
Antriebsschwäche mit erhöhter Müdigkeit
(oftmals bereits nach kleinen Anstrengungen)
und Einschränkung der Aktivität
Begleitend können folgende Zusatzsymptome nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10 auftreten:1
Depressionen können in unterschiedlichen Schweregraden auftreten. Diese werden folgendermaßen diagnostiziert:1
Leicht: zwei Hauptsymptome halten mindestens zwei Wochen an, zusätzlich treten zwei Zusatzsymptome auf.
Mittelgradig: zwei Hauptsymptome bestehen mindestens zwei Wochen, zusätzlich werden drei bis vier Zusatzsymptome diagnostiziert.
Schwer: alle drei Hautsymptome treten mindestens zwei Wochen lang auf, außerdem leiden die Betroffenen unter mindestens vier Zusatzsymptomen.
Bei leichter bis mittelgradiger Depression wird zusätzlich berücksichtigt, ob weitere somatische (auf den Körper bezogene) Symptome vorliegen. Man spricht dann von einem somatischen Syndrom. Typische Merkmale dieses Syndroms sind unter anderem Verlust der Freude an normalerweise angenehm empfundenen Aktivitäten, mangelnde Fähigkeit, auf freudige Ereignisse emotional zu reagieren, Morgentief; auffallender Appetit- und Gewichtsverlust sowie deutlicher Libidoverlust.1
Treten bei einer schweren Depression zusätzlich noch Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder ein depressiver Stupor (psychische und motorische Erstarrung) auf, wird die Diagnose „schwere Depression mit psychotischen Symptomen“ gestellt.1
Nach dem Schweregrad einer Depression entscheidet sich, ob und welche Therapie angezeigt ist. Bei einer leichten Depression ist es sehr wahrscheinlich, dass die Betroffenen ohne Behandlung wieder gesunden. Zunächst können zum Beispiel unterstützende Gespräche, eine allgemeine Beratung, Schulungen, Selbsthilfebücher oder Onlineprogramme zum Einsatz kommen, bevor der Arzt eine Behandlung mit Medikamenten oder Psychotherapie verordnet. Wenn sich nach spätestens zwei Wochen die Beschwerden nicht bessern oder sogar verschlechtern, sollte ein Arzt oder Psychotherapeut mit dem Betroffenen über eine Ausweitung der bisherigen Maßnahmen sprechen.8,9
„Mittelgradige oder schwere Verläufe sind den behandlungsbedürftigen Depressionen zuzuordnen.“
Eine sofortige Therapie ist angezeigt, wenn die Beschwerden sehr belastend für die Betroffenen sind und länger andauern können. Das gilt auch für chronische Depressionen und besonders bei Gefahr von Selbstgefährdung oder -tötung. Betroffene erhalten eine medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung, oder eine Kombination aus beidem.8
Wie Depressionen entstehen, ist bisher im Detail nicht geklärt. Es ist individuell unterschiedlich, welche Rolle erbliche und umweltbedingte Faktoren spielen. Es wird davon ausgegangen, dass mehrere Faktoren zusammenwirken und sich daraus eine Depression entwickelt. Die Risikopersonen sind weniger tolerant gegenüber seelischen, körperlichen und biografischen Belastungen als gesunde Menschen. Diese besondere Sensibilität spielt bei dem Ausbruch einer Depression und ihrem Verlauf eine große Rolle.10
Faktoren, die das Auftreten von Depressionen begünstigen und ihren Verlauf beeinflussen, sind:10
eine genetische Veranlagung (gehäuftes
Auftreten von depressiven Erkrankungen
innerhalb einer Familie)
neurobiologische Störungen im Gehirn, die den Stoffwechsel und Funktionen betreffen
Entwicklungs- und Persönlichkeitsfaktoren (psychosoziale Faktoren)
Die genetische Vorbelastung trägt nach dem heutigen Forschungsstand wesentlich zur Entstehung einer Depression bei. Sind Verwandte ersten Grades betroffen, liegt die Wahrscheinlichkeit, selbst zu erkranken, bei etwa 15 %.10
Mit neurobiologischen Ursachen ist gemeint, dass im Gehirn das Gleichgewicht bestimmter Botenstoffe, den sogenannten Neurotransmittern, verändert ist. Diese Botenstoffe sind wichtig für die Übertragung von Nervenimpulsen und beeinflussen damit unter anderem unsere Stimmung und unser Verhalten. Prominente Vertreter der Neurotransmitter sind zum Beispiel Serotonin, Dopamin, Glutamat und y-Amino-Buttersäure (GABA). Depressive Patienten weisen im Vergleich zu Gesunden oft eine erniedrigte Aktivität dieser Substanzen auf, so dass die Weiterleitung von Nervenimpulsen gestört ist. Zusätzlich kann bei Betroffenen während einer depressiven Episode eine veränderte Aktivität des limbischen Systems im Gehirn auftreten. Dies lässt sich mittels bildgebender Verfahren feststellen. Das limbische System ist für eine stressregulierende Funktion sowie für das Empfinden und Verarbeiten von Gefühlen verantwortlich.10,11
Zu den psychosozialen Faktoren werden belastende Erlebnisse wie der frühe Verlust eines Elternteils, Missbrauch, Vernachlässigung, eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung oder Trennung gezählt. Weitere Risikofaktoren sind beispielsweise eine chronische Angststörung in der Kindheit und Jugend, begleitet von Unsicherheit und mangelndem Selbstvertrauen. Belastende Lebensumstände wie anhaltender Stress, Überforderung, wenig gesellschaftliche Kontakte oder Arbeitslosigkeit werden ebenfalls dazu gezählt. Durch stressreiche Lebensereignisse wird vermehrt das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, das auch bei Depression in erhöhter Konzentration im Blut auftritt.10,12
Es scheint noch weitere mögliche Risikofaktoren zu geben, die die Entstehung einer Depression begünstigen. Körperliche Erkrankungen (wie Krebs-, Herz-Kreislauf- und Demenz-Erkrankungen oder eine Schilddrüsenunterfunktion) sowie chronische Schmerzen können eine Depression auslösen. Auch Cannabis-Konsum und Alkohol-Missbrauch werden in diesem Zusammenhang genannt. Zudem reagieren manche Menschen auf Lichtmangel in den dunklen Herbst- und Wintermonaten mit einer Depression.10,12
Die Jahresinzidenz für alle Formen der Depression liegt bei ein bis zwei Prozent, d. h. etwa ein bis zwei von 100 Personen erkranken im Jahr an einer Form der Depression.1
Auch schwere Verlaufsformen der Depression (wie zum Beispiel Major Depression oder Major Depressive Disorder, MDD) sind weit verbreitet.2 So schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass alleine in Europa etwa 40 Millionen Menschen von einer schweren Depression betroffen sind.2 Betrachtet man ein Zeitfenster von zwölf Monaten (12-Monatsinzidenz) betrifft diese Erkrankung etwa 6 % der Allgemeinbevölkerung.1
Nach Angaben der Gesundheitsberichterstattung des Bundes sterben in Deutschland jährlich mehr als 10.000 Menschen durch Suizid.1 Bis zu einem Alter von 29 Jahren gilt Suizid als zweithäufigster Sterbegrund.3
Suizide sind eng mit psychischen Erkrankungen, insbesondere mit Depressionen, verknüpft.3 An Depressionen erkrankte Menschen haben ein 30-mal höheres Suizidrisiko als die Allgemeinbevölkerung.1 Ohne Berücksichtigung der Dunkelziffer, können in Deutschland bis zu 70 % der Suizide auf eine depressive Erkrankung zurückgeführt werden.1
Grundsätzlich können Depressionen in jedem Lebensalter auftreten, neuere Untersuchungen lassen jedoch annehmen, dass in Deutschland jeder zweite Patient vor dem 31. Lebensjahr zum ersten Mal an einer Depression erkrankt ist. Es zeichnet sich zudem die Tendenz ab, dass zunehmend jüngere Menschen an Depressionen erkranken.1 Daneben gelten Depressionen jedoch auch bei älteren Menschen als häufigste psychische Störung.1 Im höheren Lebensalter sind Depressionen zusätzlich häufig vergesellschaftet mit körperlichen Erkrankungen oder Einschränkungen.1
Betrachtet man die Geschlechterverteilung, so sind Frauen häufiger von depressiven Störungen betroffen als Männer.1 Ihr Risiko an einer unipolaren Depression zu erkranken liegt innerhalb eines Zeitrahmens von zwölf Monaten (12-Monatsprävalenz) bei 10,6 %, für Männer hingegen nur bei 4,8 %.1 Auch scheinen depressive Erkrankungen bei Frauen in einem früheren Alter zu beginnen und länger anzudauern.1 Zudem ist auch ihr Risiko einen Rückfall zu erleiden höher.1
Schwere Depressionen können verheerende Folgen haben – nicht nur für Patienten und ihre Angehörigen, sondern auch unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten.1 So betrachtet die WHO Depressionen aktuell als eine der wichtigsten Volkskrankheiten und prognostiziert, dass der Stellenwert der Erkrankung in den kommenden Jahren noch weiter zunimmt. Die Organisation geht davon aus, dass unipolare Depressionen bis zum Jahr 2030 sogar die größte Bedeutung unter den Erkrankungen mit lebensverkürzenden bzw. einschränkenden Effekten haben werden.1
Im Hinblick auf den sozioökonomischen Status scheinen eine höhere Bildung und eine sichere berufliche Situation mit einer geringeren Häufigkeit von Depressionen einherzugehen, während Menschen mit niedrigem Bildungsniveau und Einkommen ein höheres Risiko für depressive Erkrankungen aufweisen.1
Als Maßeinheit wird dazu der sogenannte DALYs (Disability-adjusted Life Years) zugrunde gelegt: Er beschreibt die Lebensjahre, die durch Behinderung oder durch vorzeitiges Versterben infolge einer Krankheit verloren gehen. Bezogen auf diesen Indikator schätzt die WHO, das die stärksten Verluste an Lebensjahren für das Jahr 2030 durch unipolare Depressionen verursacht werden – damit läge die Erkrankung sogar noch vor Volkskrankheiten wie gefäßbedingten Herzerkrankungen und der Zuckerkrankheit, Diabetes mellitus.1
Auch für das Gesundheitssystem sind Depressionen sehr bedeutsam, da sie mit hohen Kosten einhergehen. Das Wesen der Erkrankung, die unter anderem mit Antriebsschwäche, mangelnder Konzentrationsfähigkeit und Kognitionsprobleme einhergeht, schränkt die Arbeitsfähigkeit vielfach ein:1 Untersuchungen zeigen, dass Arbeitnehmer mit Depressionen nahezu viermal mehr Krankheitstage aufweisen, gegenüber Angestellten ohne die Erkrankung.1
Im Jahr 2008 beliefen sich die direkten Kosten durch Depressionen (z. B. für Therapie, Reha, Pflege) auf 5,2 Milliarden Euro, davon entfielen alleine 2,9 Milliarden auf Kosten für stationäre Behandlungen.1
Daneben resultieren aus Arbeitsunfähigkeit, Invalidität oder vorzeitigem Versterben infolge von depressiven Erkrankungen hohe indirekte Kosten. Als Berechnungsgrundlage dient dabei die Anzahl verlorengegangener Erwerbstätigkeitsjahre. Im Jahr 2008 bezifferten sich beispielsweise die verlorenen Erwerbstätigkeitsjahre durch Depressionen auf mehr als 250.000 Jahre (insgesamt 4,25 Millionen Jahren durch alle erfassten Erkrankungen).1
Darüber hinaus zählen Depressionen zu den häufigsten Ursachen für eine Frühberentung.1
Depressionen sind noch immer mit einem besonderen Stigma behaftet, das sowohl den sozialen Kontext als auch die Arbeitswelt berührt. So stellen Arbeitgeber aufgrund von Vorurteilen gegenüber der Erkrankung seltener Mitarbeiter mit Depressionen als Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus) ein.1
Oftmals kämpfen Betroffene mit Vorurteilen gegen ihre Erkrankung, denn vielfach wird ihnen von ihrer Umwelt fälschlicherweise „Unausgeglichenheit“, „mangelnde Selbstdisziplin“, „Selbstmitleid“ oder sogar „Faulheit“ vorgeworfen.
Die Ursache für diese Fehleinschätzungen liegen in fehlender Aufklärung und mangelndem Wissen um die Erkrankung. Betroffene leiden somit nicht nur unter der Erkrankung selbst, sondern zusätzlich unter ihrer Stigmatisierung.6
Dabei nimmt die Reaktion des sozialen Umfelds direkten Einfluss auf den Erkrankten und verschlechtert seine Situation oftmals weiter, denn Abwertung und Distanzierung fördern zusätzlich den sozialen Rückzug und verstärken Gefühle von Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und Schuld. Nicht zuletzt kann ein solcher Rückzug auch dazu führen, dass betroffene den Gang zum Arzt meiden und die Depression erst verzögert erkannt und behandelt wird.6
Die sozialen Beziehungen etwa Partner, Kinder und enge Freunde von Menschen, die an Depressionen leiden, sind durch die Erkrankung häufig stark belastet. Oft machen die engsten Angehörigen sich große Sorgen um den Betroffenen, fühlen sich zugleich jedoch hilf- und perspektivlos. Wenn Angehörige beim Umgang mit der Erkrankung frustriert, erschöpft oder überlastet werden, können oft Ärger und Wut hinzukommen, was die Betroffenen zusätzlich belastet.7
Folgende Verhaltensregeln können im Umgang mit einem depressiven Angehörigen hilfreich sein:7
Während zunehmendes Interesse an Aktivitäten und sozialen Kontakten oder vielleicht wiederkehrende Freude an früheren Hobbies Anzeichen einer Besserung der Depression sein können, gibt es auch Frühzeichen, die eine Verschlechterung oder Wiederkehr der Erkrankung ankündigen. Dazu gehören:8
Depressionen können im Krankheitsverlauf auch von Suizidgedanken oder konkreten Suizidabsichten begleitet sein. Auf folgende Warnzeichen sollten Angehörige und Freunde von Menschen mit Depressionen besonders achten:9
Besteht der Verdacht, dass ein Freund oder Angehöriger Suizidgedanken hegt, sollte er unbedingt offen darauf angesprochen werden. Zugleich gilt es zeitnah professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen!9
Die Therapiemöglichkeiten bei schweren Depressionen sind außerordentlich vielseitig, die beiden meist genutzten Bausteine sind die:1
Eine wichtige Säule in der Akutbehandlung einer depressiven Störung sind die Psychopharmaka. Darunter versteht man Arzneimittel, die bestimmte Neurotransmitter und damit Stoffwechselvorgänge im Gehirn beeinflussen und so die psychische Verfassung verändern. Dieser Vorgang wird psychoaktiver oder psychotroper Effekt genannt. Neurotransmitter werden von Nervenzellen in den synaptischen Spalt sekretiert und von Rezeptoren nahe liegender Zellmembranen aufgenommen und somit weitergegeben. Überschüssige Neurotransmitter werden aus dem synaptischen Spalt wieder zurück in die sekretierende Nervenzelle transportiert. Hemmt ein Medikament diese Wiederaufnahme des Botenstoffs, ist seine Wirkung dadurch stärker oder langanhaltender.2,3
Die Pharmakotherapie ist generell am erfolgversprechendsten, wenn sie auf einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Patient und Arzt beruht. Diese Vertrauensbasis ist auch für die Mitarbeit des Betroffenen sehr wichtig und sollte von Beginn an in ein entsprechendes Gesprächsangebot eingebettet sein. Ziel ist es, den persönlichen Nutzen des einzelnen Patienten und die Nebenwirkungen eines Wirkstoffs einander gegenüberzustellen und dann individuell über die Therapie zu entschieden. Eventuelle Neben- und Wechselwirkungen der Medikamente lassen sich dadurch besser kontrollieren oder möglicherweise vermeiden.1
Psychopharmaka werden je nach ihrer Strukturformel und ihrem spezifischen Wirkmechanismus in folgende sieben Klassen unterteilt:1,4,5,6
Weiter lassen sich Psychopharmaka hinsichtlich ihrer Wirkung in überwiegend dämpfende und aktivierende beziehungsweise antriebssteigernde Wirkstoffe einteilen.5 Bei dämpfenden Psychopharmaka ist eine beruhigende und angstlösende Wirkung erwünscht.7 Zu den antriebssteigernden Substanzen werden die sogenannten Psychostimulanzien gezählt, die kurzfristig auch die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit erhöhen.8 Einige Psychopharmaka verringern zudem die typischen körperlichen Symptome (wie Kopf- und Rückenschmerzen, Schlafstörungen und Magen-Darm-Beschwerden), die eine Depression zur Folge haben kann.5
Neben diesen in Klassen eingeteilten Wirkstoffen finden nicht klassifizierte Antidepressiva, Lithiumsalze und Phytopharmaka Anwendung, die auf pflanzlichen Wirkstoffen wie Johanniskraut basieren.1
Bei leichten Depressionen sind Antidepressiva weniger gut wirksam als bei schweren Verlaufsformen, weshalb eine Psychotherapie vorzuziehen ist.9
Die Psychotherapie spielt neben der Pharmakotherapie eine äußerst wichtige Rolle in der Behandlung von Depressionen. Die Basis ist die Behandlung von Betroffenen mit überwiegend psychologischen Mitteln. Psychotherapeutische Angebote sind heutzutage gezielt auf die Erfordernisse des jeweiligen Krankheitsbildes zugeschnitten. Zu den grundlegenden Aspekten einer psychotherapeutischen Behandlung gehören unter anderem, dass eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Therapeut entsteht und die Therapieerwartung des Patienten geklärt wird. Der Betroffene erarbeitet sich gemeinsam mit seinem behandelnden Arzt unter Hinzunahme kommunikativer Techniken eine Strategie, wie er die Krise bewältigen und (wieder) Selbstvertrauen aufbauen kann. Entscheidend kann auch eine Entlastung des Patienten von derzeit überfordernden Pflichten und Ansprüchen sein. Angehörige der Erkrankten werden mit einbezogen in den therapeutischen Ansatz. Dem Betroffenen kann es helfen, sich zu verdeutlichen, dass es sich bei einer Depression um eine Krankheit handelt, für die er keine Schuld trägt. Außerdem ist es wichtig, dass mögliche Suizidgedanken thematisiert werden.10
In der Behandlung depressiver Erkrankungen hat sich die Psychotherapie heutzutage mittels unterschiedlicher Verfahren etabliert, sowohl im ambulanten, teilstationären und stationären Bereich. Eine große Zahl von Studien belegt die psychotherapeutische Behandlung depressiver Störungen als generell wirksam, wobei der Erfolg je nach Schwere, Symptomen und Verlaufsform (chronisch oder akut) variieren kann. Bisher gibt es keine belegten Zusammenhänge, dass Frauen oder Männer unterschiedlich gut von einer Psychotherapie profitieren. Generell tragen Frauen ein höheres Risiko, an einer Depression zu erkranken wie Männer, während Unterschiede im Krankheitsverlauf weniger gut dokumentiert sind.1
Zu den wichtigsten fünf Verfahren in der ambulanten Psychotherapie gehören die:10,11
Die Kognitive Verhaltenstherapie gehört mit ihren speziell für verschiedene Störungsbilder weiter entwickelten Techniken sicher zu den bedeutsamsten Verfahren in der heutigen Zeit. Betroffene erleben, dass sie das Problem selbst unter Kontrolle bringen können. Ausgangspunkt der kognitiven Therapie ist die Annahme, dass beispielsweise psychische Störungen mit negativen und selbstabwertenden Wahrnehmungs- und Denkmustern zusammenhängen. Die Patienten lernen, Probleme und individuelle Blockaden zu erkennen, Alternativen zu entwickeln und auszuprobieren sowie ihre Denk- und Verhaltensmuster neu zu bewerten.10
Bei der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie nimmt man an, dass die Depression auf einem unbewussten seelischen Konflikt beruht. Dieser Konflikt entstammt negativen Erfahrungen oder Erlebnissen in der individuellen Geschichte oder Kindheit. Der Psychotherapeut versucht, dem Patienten diesen Konflikt bewusst zu machen. Dieser Ansatz beruht auf der Annahme, dass der Betroffene Probleme des täglichen Lebens besser bewältigt, wenn er den Ursprung seines inneren Konfliktes kennt. Zudem sollen sich durch das wiederholte Erinnern und Durchleben früherer negativer Erfahrungen die Symptome abschwächen beziehungsweise verschwinden.10,12
Ziel einer Systemischen Therapie, auch Familientherapie genannt, ist es, die Ursachen für die Probleme in einer familiären Beziehung selbst zu ermitteln und anzugehen. Daher nehmen an einer systemischen Sitzung alle betroffenen Familienmitglieder nach Bedarf teil. Ein Familientherapeut erarbeitet mit den Familienmitgliedern neue Verhaltens- und Interaktionsmuster im Umgang miteinander.11,12
Die Gesprächspsychotherapie geht auf die Arbeiten des Psychologen Carl R. Rogers zurück. Im Mittelpunkt steht das Selbstbild des Menschen, das bei depressiven Patienten negativ oder verzerrt ist. Dies kann unter anderem entstehen, wenn Menschen nur Zuwendung unter bestimmten Voraussetzungen, wie Gehorsam, erfahren. In dieser Therapieform lernt der Patient, sich seiner Gedanken und Gefühle bewusst zu werden, sie auszusprechen und so seine Bedürfnisse wieder wahrzunehmen.10
Die Interpersonelle Psychotherapie („zwischenmenschliche“ Therapie) setzt direkt an den kritischen Lebenssituationen des Betroffenen an, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Depression stehen. Zu den typischen Problembereichen dieser Therapieform gehören Trauer, Lebensveränderungen, Einsamkeit, soziale Defizite und zwischenmenschliche Konflikte. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen die Beziehungen des Patienten zu seinen Mitmenschen. Sind der Tod eines Nahestehenden oder das Ende der Berufstätigkeit das zentrale Thema, ist es bedeutend, diesen Verlust zu betrauern und anzunehmen. Leidet ein Betroffener unter Kontaktschwierigkeiten, werden neue Situationen, wie das Kennenlernen von Mitmenschen, wiederholt im Rollenspiel durchgegangen.10
Daneben gibt es zahlreichende ergänzende Verfahren, wie die:1,13
Neben der Art und Schwere der Depression werden die Bausteine auch nach den krankheitsbedingten Beeinträchtigungen, persönlichen Vorlieben des Betroffenen und den Kompetenzen, die zur Bewältigung der Erkrankung nötig sind, zusammengesetzt. Es gibt einige Therapieverfahren, deren Bausteine speziell auf eine Störung angepasst wurden und sich bei der Behandlung bestimmter Erkrankungen bewährt haben. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie entscheidet, welche Therapieoptionen und ergänzenden Verfahren im Einzelfall sinnvoll sind.1,14
Janssen als zukunftsorientiertes Unternehmen investiert jedes Jahr in die Erforschung und Entwicklung innovativer Arzneimittel. Diese weltweiten Forschungsarbeiten tragen maßgeblich zur Heilung oder Linderung zahlreicher Krankheiten bei. Allein im Jahr 2019 flossen rund 20,9 % des weltweiten Umsatzes in Forschung & Entwicklung. Janssen zählt damit zu den Top 10 forschenden Pharma-Unternehmen weltweit. Dabei ist ein wichtiger Bereich unseres breiten Spektrums medizinischer Forschungsgebiete (z. B. Onkologie, Immunologie, Infektionskrankheiten, Lungenhochdruck und Herz-Kreislauf- und Stoffwechselkrankheiten) der Bereich der Psychiatrie. Denn Störungen der psychischen Gesundheit zählen weltweit zu den relevantesten Erkrankungen, die künftig immer stärker an Bedeutung gewinnen.
Janssen verfügt über einen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz im Bereich der Neurowissenschaften und ist ein Pionier auf diesem Gebiet. Daher engagieren wir uns mit aller Kraft und unserer Erfahrung dafür, Belastungen, Einschränkungen und Schäden durch psychische Erkrankungen zu reduzieren.
Wir treiben die Forschung voran, mit dem Ziel einer verbesserten Prävention, Diagnose und Behandlung von psychischen Gesundheitsstörungen. Neben unserer führenden Position in der Entwicklung für den Bereich der Schizophrenie richtet sich unser Fokus zusätzlich auf den Bereich der affektiven Störungen, der auch depressive Erkrankungen einschließt.
Die Wissenschaftler bei Janssen arbeiten unter Hochdruck an Lösungen für Patientenbedürfnisse, denen die Medizin bislang noch nicht zufriedenstellend entgegenkommt. Daher untersuchen wir derzeit zahlreiche neue Wirkstoffe für den Bereich der psychischen Erkrankungen.
Wir arbeiten mit großem Engagement daran, unsere Therapieinnovativen den Menschen, die sie brauchen, zur Verfügung zu stellen.
Seit Beginn der COVID-19-Pandemie führen Quarantänemaßnahmen, Kontaktsperren und Abstandsregeln zu erheblichen Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit. Besonders betroffen sind Menschen mit depressiven Vorerkrankungen, bei denen die Situation zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes wie unter Anderem einer schweren Depression führen kann.
1Wie sehr die PatientInnen insbesondere während der Lockdown-Phasen leiden, zeigt eine Sondererhebung des repräsentativen Deutschland-Barometer Depression aus Februar 2021:
44 % der Befragten mit einer diagnostizierten Depression gaben an, dass sich ihr Krankheitsverlauf in den letzten 6 Monaten verschlechtert hat. Jeweils 16 % der depressiv Erkrankten berichteten von einem Rückfall oder einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik und 8 % hatten sogar Suizidgedanken oder suizidale Impulse.
2Fehlende soziale Kontakte, ausgefallene Facharzt- und Therapie-Termine, Bewegungsmangel und verlängerte Bettzeiten wurden dabei häufig als Gründe für die Verschlechterung angegeben.2
Doch auch auf der Seite der BehandlerInnen ergaben sich insbesondere in den Kliniken zahlreiche Herausforderungen: Zu Beginn der Pandemie wurden die Quarantäne- und Hygienevorschriften fast täglich aktualisiert und hatten eine Änderung der internen Abläufe zur Folge. Aufgrund dadurch bedingten Umstrukturierungen der psychiatrischen Akutstationen, mussten mehr schwer psychisch erkrankte PatientInnen auf weniger stationär verfügbaren Behandlungsplätzen versorgt und daher oft ambulant mitbehandelt werden. Noch dazu in einer Zeit, in der andere Betreuungsangebote für PatientInnen mit psychischen Erkrankungen wie z.B. Tageskliniken oder Gruppentherapien zum großen Teil nicht zur Verfügung standen.4
Merklich verändert hat sich im Laufe der Pandemie das Tempo der Digitalisierung: Bis zum Ausbruch von COVID-19 steckte die Digitalisierung in den Kliniken wie in vielen anderen Bereichen auch noch in den Kinderschuhen. Ende 2019 gaben 200 befragte Krankenhausärzte an, dass sie den durchschnittlichen digitalen Reifegrad ihrer Kliniken gerade einmal bei 48 % sehen.5
Um jedoch die Versorgung der Psychiatrie-PatientInnen, zum Beispiel derer mit einer schweren Depression, kurzfristig weiter gewährleisten zu können, mussten Online-Lösungen geschaffen werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband hoben bereits im März 2020 die Begrenzungsregelungen für Videosprechstunden auf und wiesen in einer Mitteilung ausdrücklich auf die Möglichkeiten der Psychotherapie-Videosprechstunden hin.6 Wenig später richtete die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) ein psychotherapeutisches Unterstützungsangebot per Video für Patienten in Bayern ein und stellte eine Liste teilnehmender Psychotherapeuten ins Internet.7
Auch nach Ende der Pandemie können diese Lösungen eine Grundlage für den Aufbau von unterstützenden und ortsunabhängigen Therapieangeboten sein. So gaben Anfang 2021 in einer bitkom-Erhebung 77 % der befragten Klinikärzte an, dass sie aktuell bereits Video-Sprechstunden durchführen oder es sich grundsätzlich für die Zukunft vorstellen können.8
Jeder Fünfte ist im Laufe seines Lebens, zumindest zeitweise, von Depressionen betroffen. In Deutschland ist diese Erkrankung damit eine Volkskrankheit.
Doch obwohl so viele Menschen von Depressionen betroffen sind, wird nur knapp die Hälfte angemessen behandelt. Grund dafür ist unter anderem die Art und Weise, wie die Gesellschaft mit dem Thema umgeht. Oft heißt es: „Wird schon wieder. Einfach mehr Lachen. Stell dich nicht so an, jeder hat mal eine schlechte Phase”. Wer das hört, möchte nicht als wehleidig, schwach oder launisch abgestempelt werden – und schweigt lieber, anstatt frühzeitig eine geeignete Behandlung zu erhalten. Depression ist deshalb noch immer Tabuthema. Im schlimmsten Fall hat das tödliche Folgen. Es ist also höchste Zeit, offen über Depression zu sprechen, um Menschen aufzuklären und das Thema zu enttabuisieren.
Mit der Initiative #GemeinsamGegenDepression möchte Janssen Betroffenen und Angehörigen die Möglichkeit geben, ihre persönlichen Geschichten zu teilen, das Schweigen zu brechen und Gesicht gegen Depression zu zeigen. Denn je mehr Menschen über die Erkrankung sprechen und andere ermutigen, desto normaler wird der Umgang mit einer Depression. Es ist eine Initiative für Betroffene und Angehörige – mit Betroffenen und Angehörigen. Sie alle teilen persönliche Erfahrungen, um Erkrankten und ihrem Umfeld den entscheidenden Schritt zu erleichtern: Rechtzeitig die nötige Hilfe zu suchen, um therapeutische und medizinische Unterstützung zu finden.
Ankerpunkt für alle Interessierten ist die Webseite #GemeinsamGegenDepression. Sie umfasst wichtige Informationen rund um die Erkrankung sowie stetig wachsende Hilfsangebote.
Zuletzt geändert am: 24.11.2021
Dieser Text entspricht den redaktionellen Standards der Janssen Medical Cloud. Hier erfahren Sie mehr über unsere redaktionellen Standards.
Dieser Text wurde von Prof. Dr. Bettina Diekamp, Mitarbeiterin bei Janssen Deutschland und Mitglied des Janssen Expertenbeirats, geprüft. Lernen Sie unseren Expertenbeirat kennen.