Wie genau eine pulmonal arterielle Hypertonie (kurz: PAH) – auch Lungenhochdruck genannt – entsteht, ist bisher nicht vollständig geklärt. Es sind allerdings einige mögliche Risikofaktoren bekannt, die die Entstehung der PAH begünstigen können. Dazu zählen neben einer HIV-Infektion, angeborenen Herzfehlern und Lebererkrankungen auch Autoimmunerkrankungen wie Kollagenosen (Bindegewebserkrankungen). Generell spricht man bei dieser Form der pulmonal arteriellen Hypertonie auch von „assoziierter pulmonal arterieller Hypertonie“, oder kurz APAH.1
Häufigkeiten von assoziierter pulmonal arterieller Hypertonie im REVEAL-Register2
Wer hat ein erhöhtes Risiko für pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) und worauf sollte man achten? Unser Vodcast gibt einen Überblick und lässt 2 Experten zu Wort kommen.
EM-71183
Eine Auswertung aus dem REVEAL-Register zeigte, dass Kollagenosen häufig mit der Entwicklung einer pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) assoziiert sind.2 Da der Verlauf bei pulmonal arterieller Hypertonie in Assoziation mit Kollagenosen oft schwerwiegend ist und eine hohe Mortalität aufweist, sollten Patienten mit Kollagenosen regelmäßig auf Anzeichen einer pulmonal arteriellen Hypertonie hin untersucht werden.1,3
PAH ist eine schwere Komplikation bei Kollagenosen: die wichtigsten Fakten auf einen Blick
Kollagenosen sind eine Gruppe von Autoimmunerkrankungen, die das Bindegewebe und die Blutgefäße betreffen. Zu den Kollagenosen zählen:4
Von den Kollagenosen ist die systemische Sklerose am häufigsten mit einer pulmonal arteriellen Hypertonie assoziiert.1
Bis zu 12 % der Patienten mit systemischer Sklerose entwickeln eine pulmonal arterielle Hypertonie8
Was ist systemische Sklerose?
Systemische Sklerose, kurz SSc, ist eine seltene rheumatische Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen. Sie ist gekennzeichnet durch eine Verhärtung der Haut und des Bindegewebes (Fibrose) sowie durch eine Schädigung der Blutgefäße (Vaskulopathie).5 Zu den typischen Symptomen gehören funktionelle Durchblutungsstörungen (Raynaud-Syndrom), geschwollene Finger („puffy fingers“) und Fingergeschwüre (digitale Ulzerationen). Die Symptomatik kann sich auf innere Organe wie Verdauungstrakt, Herz, Niere und Lungen ausweiten. Sind durch die Vaskulopathie auch die Lungenarterien betroffen, können Betroffene eine PAH entwickeln.6,7 Dies geschieht bei 8–12 % der SSc-Patienten.8 Man spricht in diesem Fall von einer pulmonal arteriellen Hypertonie in Assoziation mit systemischer Sklerose (PAH-SSc).
Pulmonal arterielle Hypertonie in Assoziation mit systemischer Sklerose verläuft oft schwerwiegender als idiopathische PAH (IPAH). Das spiegelt sich zum Beispiel auch in Registerdaten aus Kanada und den USA wider, die zeigen, dass mehr als 50 % der Todesfälle bei systemischer Sklerose durch PAH bedingt sind.9 Daten aus dem REVEAL-Register zeigten außerdem, dass die Prognose bei PAH in Assoziation mit systemischer Sklerose mit einer Überlebensrate von 51 % nach 3 Jahren besonders schlecht ist im Vergleich zu anderen Kollagenosen mit einer Überlebensrate von 76 %.10 Eine frühzeitige Diagnose und anschließende Behandlung mit gezielten PAH-Medikamenten sind daher für die Verbesserung der Prognose sehr wichtig.
Daten aus dem REVEAL-Register: PAH-SSc-Patienten haben ein höheres 3-Jahres-Mortalitätsrisiko als Patienten mit PAH in Assoziation mit anderen Kollagenosen10
Die Früherkennung einer pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) bei Patienten mit systemischer Sklerose (SSc) ist oft schwierig, da die Erkrankung bei Beginn häufig einen klinisch unauffälligen Verlauf zeigt und sich nur in unspezifischen Symptomen wie Atemnot (auch: Dyspnoe) und Müdigkeit äußert.5
Durch Screening kann eine PAH bei Patienten mit systemischer Sklerose frühzeitig entdeckt werden
Studiendaten zeigen, dass durch ein gezieltes PAH-Screening bei Patienten mit systemischer Sklerose deutlich mehr PAH-Patienten in früheren Stadien (Funktionsklasse I oder II) identifiziert werden als durch Routineuntersuchungen ohne Screening. Dies zeigte sich auch bei der Mortalität. Bei gescreenten Patienten lag die 8-Jahres-Überlebensrate bei 64 %, während diese bei nicht gescreenten Patienten nur bei 17 % lag.11 Aus diesem Grund empfehlen die Leitlinien bei Patienten mit systemischer Sklerose ein jährliches PAH-Screening. Ergibt sich daraus der Verdacht auf eine PAH, sollte umgehend eine Überweisung an ein PH-Zentrum erfolgen, um die Diagnose anhand einer Rechtsherzkatheteruntersuchung zu bestätigen und eine gezielte PAH-Therapie starten zu können.1
Überlebensraten bei Patienten mit PAH-SSc: ein gezieltes PAH-Screening kann das Überleben verbessern11
Die Leitlinien empfehlen bei Patienten mit systemischer Sklerose ein jährliches Screening auf pulmonal arterielle Hypertonie anhand von Echokardiografie und Biomarkern.1
Inzwischen gibt es dafür ein relativ einfaches PAH-Screeningtool, das für Patienten mit systemischer Sklerose entwickelt und validiert wurde und zur Unterstützung beim Screening genutzt werden kann – den sogenannten DETECT-Algorithmus. Dieser berechnet einen Risikoscore aus verschiedenen Untersuchungsergebnissen.12
EM-66635
PA(t)H-Finder SSc: Selbstbeobachtung für Patienten
Da SSc-Patienten in jedem Alter und Krankheitsstadium eine PAH entwickeln können, kann es hilfreich sein, wenn Patienten mit systemischer Sklerose auf PAH-Symptome sensibilisiert werden. Der PA(t)H-Finder-SSc-Fragebogen hilft bei der einfachen Dokumentation von Symptomen wie Atemnot (auch Dyspnoe genannt) und kann so als Unterstützung beim Arztgespräch dienen. Erste Symptome und Anzeichen können auf diese Weise früh erkannt und abgeklärt werden.
PA(t)H-Finder-SSc-Selbstbeobachtungsbogen für Patienten
Magdalene Graul, PAH- und Sklerodermiepatientin, berichtet von ihrem langen Weg zur Diagnose pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) und wie sie heute mit der Erkrankung umgeht.
Die Entwicklung einer pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) ist bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern eine bedeutsame Komplikation und stellt ein Kontinuum vom operablen Herzfehler bis zur schweren pulmonalvaskulären Erkrankung dar. Da eine chirurgische oder interventionelle Korrektur den klinischen Verlauf und die Prognose bei PAH aufgrund angeborener Herzfehler verbessern kann, ist eine frühe und korrekte Diagnosestellung wichtig.13
Kontinuum vom operablen Herzfehler bis hin zu schwerwiegender pulmonalvaskulärer Erkrankung (Eisenmenger-Syndrom): Mögliche Entwicklung einer PAH bei Kindern und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern14
Angeborene Herzfehler gehören zu den häufigsten isolierten angeborenen Organfehlbildungen. In Deutschland sind jährlich etwa 6.500 Kinder davon betroffen. Verstarben früher noch 80 % der Kinder mit angeborenem Herzfehler innerhalb der ersten Lebensjahre, so erreichen heute dank Fortschritten in der Herzchirurgie sowie der pädiatrischen Kardiologie und Intensivmedizin mehr als 90 % das Erwachsenenalter. Dies zeigt sich auch in den Mortalitätszahlen, die in den letzten Jahrzehnten für Menschen mit angeborenen Herzfehlern deutlich zurückgegangen sind. Obwohl die Mortalität deutlich gesunken ist, besteht nach Korrektur oder Reparatur eines angeborenen Herzfehlers häufig das Risiko für Spätfolgen, wie die Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie (PH) oder pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH).13
Geschätzte P(A)H-Prävalenz bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern13
PAH assoziiert mit angeborenen Herzfehlern
Laut Schätzungen entwickeln bis zu 10 % der Patienten mit angeborenen Herzfehlern eine P(A)H.13 Diese Form der PAH umfasst eine sehr heterogene Patientenpopulation und das klinische Bild kann sich deutlich von anderen P(A)H-Formen unterscheiden.1
Geschätzte P(A)H-Prävalenz bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern13
Grundsätzlich spielen für die mögliche Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie (PH) oder einer pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) vor allem 4 Gruppen von angeborenen Herzfehlern eine Rolle. Diese können sowohl einfach als auch komplex bzw. selten oder häufig sein:
Eine weitere Gruppe umfasst Patienten mit univentrikulärem Herzen und Fontan-Zirkulation.13
Angeborene Herzfehler in Assoziation mit PAH werden weiterführend noch einmal verschiedenen Klassen zugeordnet. Diese umfassen das Eisenmenger-Syndrom, PAH assoziiert mit überwiegend systemisch-pulmonalen Shunts, PAH mit kleinen/zufälligen Defekten und PAH nach Defektkorrektur.1
Klinische Klassifikation der PAH in Assoziation mit angeborenen Herzfehlern1
Da für die Diagnose einer pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) in Assoziation mit angeborenen Herzfehlern kein spezifischer Diagnosealgorithmus besteht, kann prinzipiell der P(A)H-Diagnosealgorithmus verwendet werden. Neben der korrekten Diagnose des zugrunde liegenden Herzfehlers sollte auch bei dieser Form der PAH eine funktionelle und hämodynamische Abstufung erfolgen. Eine frühe Diagnose ist sehr wichtig, da eine chirurgische oder interventionelle Korrektur des Herzfehlers den klinischen Verlauf und die Prognose bei PAH verbessern kann. Aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes sollte die Diagnose multidisziplinär abgeklärt werden und alle Patienten sollten in ein erfahrenes Zentrum für angeborene Herzfehler überwiesen werden.14
Möglicher Diagnoseweg bei Verdacht auf P(A)H in Assoziation mit angeborenem Herzfehler14
Obgleich die Mortalität bei angeborenen Herzfehlern deutlich gesunken ist, wird die Morbidität im weiteren Verlauf häufig unterschätzt. Die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) ist neben Herzinsuffizienz, Endokarditis und Herzrhythmusstörungen ein wichtiger Folgezustand bei angeborenen Herzfehlern. Obwohl mit diesen Folgezuständen gerechnet werden muss, werden viele Patienten bislang nicht entsprechend von Spezialisten oder erfahrenen Zentren betreut. Daher ist es wichtig, bereits im niedergelassenen Bereich an mögliche Folgezustände wie PAH bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern zu denken und frühzeitig eine adäquate Diagnostik einzuleiten.13
Der breite Einsatz von kombinierten antiretroviralen Therapien hat das Überleben bei Patienten mit Infektionen des humanen Immundefizienz-Virus (HIV) deutlich verbessert. Das hat allerdings auch zu einem erhöhten Auftreten von Folgekrankheiten wie pulmonal arterieller Hypertonie (PAH) in dieser Patientengruppe geführt. Bisher ist nicht eindeutig geklärt, ob die HIV-Infektion der Auslöser oder ein beitragender Faktor für die Entwicklung einer PAH ist. Gleiches gilt für den genauen Mechanismus bei der Entwicklung einer mit HIV-Infektion assoziierten PAH.15
Weltweit sind etwa 34 Millionen Menschen mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV), einem Lentivirus aus der Familie der Retroviren, infiziert. Das Virus enthält 2 Einzelstränge RNA, die in der Wirtszelle durch die viral kodierte Reverse Transkriptase in Doppelstrang-DNA konvertiert und in das Wirtsgenom eingesetzt werden. Dort verbleibt das Virus entweder latent oder wird alternativ von der Zelle transkribiert und vermehrt sich auf diese Art weiter. Bei einer HIV-Infektion unterscheidet man 3 Stadien: akute Infektion, klinische Latenz und erworbenes Immundefizienz-Syndrom (acquired immunodeficiency syndrome (AIDS)), das finale Stadium einer HIV-Infektion. AIDS wird entweder durch weniger als 200 CD4+ T-Zellen pro µl oder das Auftreten von spezifischen HIV-assoziierten Infektionen (Infektionen mit Zytomegalievirus, Varizella-Zoster-Virus, BK-Virus, Herpes-simplex-Virus, Pneumocystis jirovecii, Toxoplasma gondii oder Pilzen) definiert. Ohne spezifische Therapie entwickelt die Hälfte der HIV-infizierten Patienten innerhalb von 10 Jahren AIDS.16
Die 3 Stadien bei einer HIV-Infektion: akute Infektion, klinische Latenz und AIDS17
Obwohl eine Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV) mit kombinierten antiretroviralen Therapien unterdrückt werden kann, ist eine Heilung bisher nicht möglich. Trotzdem ist eine HIV-Infektion heutzutage eher eine chronische als eine akut lebensbedrohliche Erkrankung geworden. Daher rücken Langzeitfolgen wie vaskuläre Komplikationen immer mehr in den Fokus. Eine mögliche dieser Komplikationen ist die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH).16 In einer Meta-Analyse, die ein Screening auf PH durch Echokardiographie zugrunde legte, wurde die globale PH-Prävalenz bei Erwachsenen mit HIV-Infektion auf 8,3 % geschätzt.15
Meta-Analyse: weltweite PH-Prävalenz bei Erwachsenen mit HIV-Infektion15
Die portale Hypertension, auch portale Hypertonie oder Pfortaderhochdruck genannt, ist eine bekannte Ursache für die sogenannte portopulmonale Hypertonie (PoPH) – eine Form der assoziierten pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH).1,18
Oft zeigen Patienten sowohl Anzeichen für eine portale Hypertension als auch für PAH, die typischen Symptome der portalen Hypertension gehen denen der PAH, wie z. B. Dyspnoe, allerdings in der Regel voraus.19 Einer portalen Hypertension können verschiedene Lebererkrankungen zugrunde liegen, am häufigsten kommt eine PoPH jedoch bei Patienten mit Leberzirrhose vor.19,20
Bei Lebererkrankungen und portaler Hypertension kann sich eine portopulmonale Hypertonie entwickeln20
Die portale Hypertension ist ein klinisches Syndrom, das durch eine Erhöhung des Pfortaderdrucks (auch portalvenöser Druck) gekennzeichnet ist (> 5 mmHg). Klinisch signifikant wird eine portale Hypertension bei einer Druckerhöhung über 10–12 mmHg, da ab diesem Bereich Komplikationen, wie z. B. portopulmonale Hypertonie (PoPH), auftreten.19
Wie entsteht eine portale Hypertension?
Eine portale Hypertension entsteht, wenn der intrahepatische Widerstand in den Lebergefäßen steigt (z. B. durch Leberzirrhose) und ein erhöhter Blutfluss aufgrund erhöhter Vasodilatation im Splanchnikus-System (Bauchorgane) auftritt. Dies kann verschiedene prä-hepatische, intrahepatische und post-hepatische Ursachen haben, in bis zu 90 % der Fälle ist jedoch eine Leberzirrhose der Auslöser für eine portale Hypertension.19
Was sind die Folgen einer portalen Hypertension?
Die Komplikationen einer portalen Hypertension umfassen unter anderem Varizenblutungen, spontane bakterielle Peritonitis und das hepatorenale Syndrom – die Hauptursachen für Mortalität oder Lebertransplantationen bei Patienten mit Leberzirrhose.19
Eine schwerwiegende pulmonalvaskuläre Komplikation stellt die portopulmonale Hypertonie dar.18
Einer portalen Hypertension können verschiedene Ursachen zugrunde liegen19
Die genauen Pathomechanismen, die bei der Entwicklung einer portopulmonalen Hypertonie (PoPH) eine Rolle spielen, sind bisher ungeklärt. Frauen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen scheinen allerdings häufiger betroffen zu sein.21
Etwa 1–5 % der Patienten mit portaler Hypertension entwickeln eine PoPH.1 Da die Leberzirrhose der häufigste Grund für eine portale Hypertension ist, tritt die PoPH auch am häufigsten bei Patienten mit Leberzirrhosen auf.19 Innerhalb der Gruppe der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) liegt der Anteil der Patienten mit PoPH bei 6–18 %. Da die PoPH häufig unterdiagnostiziert ist, könnte die Dunkelziffer jedoch auch höher liegen.20
Bis zu 5 % der Patienten mit portaler Hypertension entwickeln eine PoPH1
Zuletzt geändert am: 01.04.2022
Dieser Text entspricht den redaktionellen Standards der Janssen Medical Cloud. Hier erfahren Sie mehr über unsere redaktionellen Standards.
Dieser Text wurde von Miriam Djelani, Mitarbeiterin bei Janssen Deutschland und Mitglied des Janssen Expertenbeirats, geprüft. Lernen Sie unseren Expertenbeirat kennen.